Jesus als Pädagoge

Von Hartmut Jaeger und Henrik Mohn

Von Hartmut Jaeger und Henrik Mohn

Personen, die richtungsweisend oder als Musterbeispiele fungieren, sind zu allen Zeiten gefragt und geschätzt gewesen. Gerade im Bereich der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen spielt die Prägung durch Vorbilder eine zentrale Rolle im Arbeitsalltag, denn Vorbilder dienen der eigenen Identifikation und ihre Verhaltensmuster werden nachgeahmt.

„Das größte Geschenk, das du einem anderen machen kannst, ist ein gutes Beispiel sein.“[1] Wer mit einem profillosen Reifen unterwegs ist, macht sich nicht nur strafbar, sondern gefährdet auch sein eigenes Leben. Ein Reifen mit Profil hinterlässt jedoch Spuren, bietet Sicherheit und Orientierung.

Jesus Christus war die profilierteste Persönlichkeit, denn er hat über die Jahrhunderte die klarsten und besten Spuren hinterlassen. Niemand hat die Menschheit so geprägt, wie er es tat und noch immer tut. Deshalb wird 2019 eine vierteilige Serie zu dem Oberthema „Jesus als Pädagoge“ in Glaube+Erziehung erscheinen. Gottes wichtigstes Erziehungsprinzip ist das Erziehen durch Vorbild. Für diese wichtige Aufgabe braucht es Persönlichkeiten mit Profil im Bereich der Erziehung, der Bildung und der Förderung Heranwachsender. Der Pädagoge Georg Kerschensteiner drückte es treffend aus: „Christus ist zum größten Menschheitserzieher geworden.“[2] Doch was war sein Geheimnis? Immerhin besaß der Sohn Gottes kein Geld, keine besondere Ausbildung, er war weder Mitglied einer politischen Partei noch eines pädagogischen Lehrstuhls an einer Universität.

Hudson Taylor, der große Chinamissionar, brachte es auf den Punkt: „Wenn wir die Anweisungen unseres Meisters und die Zusagen, die er seinen ersten Jüngern gab, umfassender zu unserer Richtschnur machten, würden wir feststellen, dass sie sich auf die heutige Zeit genauso anwenden lassen wie auf die Zeit, in der sie ursprünglich gegeben wurden.“[3] Speziell in den Evangelien wird gezeigt, wie Jesus Christus als Mensch gelebt, gearbeitet und andere geprägt hat, und wie er das große Vorbild wurde, das Menschen bis heute zurüstet.

 

 

  1. Transparenz

Die Jünger Jesu hatten den Vorteil, dass sie in der Lebensgemeinschaft mit ihrem Lehrer lernen konnten. Sie sahen, wo er sich aufhielt, was er tat, wie er betete und sich in verschiedenen Situationen verhielt. Sie erlebten Jesus täglich: seine Bescheidenheit, Leidensbereitschaft, Hingabe und Gottesfaszination sowie seine Geduld und seinen unermüdlichen Einsatz für Menschen. So konnten sie seine Lebensgewohnheiten beobachten und studieren. Es war ihnen möglich, von seinen Gewohnheiten zu lernen. Auch im Berufsalltag darf die Frage gestellt werden: Welche Gewohnheiten sollen andere von mir übernehmen? Welche nicht? Wer andere hinter seine Fassade schauen lässt, schafft Lebensnähe und Vertrauen. Jesus ließ seine Jünger tiefe Einblicke in sein Herz und seine Seele tun. Er teilte ihnen seine Ängste und Sorgen[4] mit, aber auch seinen Ärger[5]. Er lebte seinen Nachfolgern ein transparentes Vorbild vor. Diese Tatsache unterstrich er damit, dass bei ihm Leben und Lehre übereinstimmten.

Als gefallener und sündiger Mensch steht man tagtäglich im Spannungsfeld „Christ und Sünder“. Doch es geht bei Transparenz nicht um einen christlichen Perfektionismus oder Seelenstriptease. Das Zitat eines Jugendlichen aus einer Teenagerfreizeit verdeutlicht dies: „Ich suche keinen perfekten, sondern einen ehrlichen Vater.“ Und hier sind Pädagogen herausgefordert, sich vom Vorbild Jesu prägen zu lassen. Niemand ist perfekt. Jeder macht Fehler. Doch wie gehen wir damit um?

Auch hier ist Jesu Vorbild nützlich. „Meine Lehre ist nicht von mir, sondern von dem, der mich gesandt hat.“[6] Und „Ich habe viel über euch zu reden und zu richten. Aber der mich gesandt hat, ist wahrhaftig, und was ich von ihm gehört habe, das rede ich zu der Welt.“[7] Sowie „Meine Speise ist die, dass ich tue den Willen dessen, der mich gesandt hat, und vollende sein Werk.“[8] Jesu Bekenntnis zur Abhängigkeit vom Vater war kein Zeichen von Schwäche, sondern gab ihm Glaubwürdigkeit und Vollmacht. Das wurde auch den Menschen in seinem Umfeld bewusst.[9]

Transparent zu sein bedeutet deshalb, sich der eigenen Schwäche und Ohnmacht bewusst zu sein und in der Abhängigkeit von Jesus tagtäglich neu durchzustarten. Es gilt, Kindern und Jugendlichen die Abhängigkeit von Jesus für ein gelingendes und erfüllendes Leben mit auf den Lebensweg zu geben. Transparenz bedeutet daher auch, dass man selbst seine Abhängigkeit vorlebt, um als Vorbild zu dienen.

 

  1. Klare Botschaft mit Ziel

Seinen Nachfolgern hatte Jesus früh klargemacht, wohin seine Reise gehen wird. Ihm lag nicht daran, große Worte in bunte Farben zu malen, sondern er „redete das Wort mit großer Offenheit.“[10] Das Ziel für ihn war klar: das Kreuz. Unbeirrt steuerte er auf dieses große Ziel seines Lebens zu. Häufig ist es bei uns aber so, dass klare Zielvorgaben fehlen. Oder sie sind zwar da, aber existieren nur in den Köpfen der Leiter. Jesus hingegen sprach offen über seine Pläne und Ziele.

Sicher gilt dies auch für unseren heutigen Berufsalltag. Egal, ob im Kollegium, im Leiterkreis oder wo auch immer. Klartext ist gefragt, denn nichts anderes verdienen die Menschen, die einem anvertraut sind. Jesus selbst hat seinen Jüngern von Anfang an deutlich gemacht, was seine Aufgabe hier auf Erden ist. Und nicht nur das, er hat ihnen auch ein klares Ziel mit auf den Weg gegeben: „Kommt, folgt mir nach; ich will euch zu Menschenfischern machen!“[11] Dadurch kam die größte und positivste Bewegung aller Zeiten in Gang.

Das Führen von Menschen beschäftigt sich mit den Zielen von morgen. Eine der wichtigsten Aufgaben von Pädagogen ist die Vorbereitung der heutigen Generation auf die Zukunft. Dabei geht es darum, klare Botschaften mit wertvollen Inhalten zu vermitteln. Jesus selbst hat in der Bergpredigt seine „Betriebsanleitung für Christsein“[12] klar und zielorientiert formuliert. Er huldigte dabei keiner Situationsethik, sondern verkündigte die höchsten ethischen und moralischen Werte, die die Menschheit kennt – und er lebte sie. Das gab ihm ein herausragendes und einzigartiges Profil.

Profilierte Persönlichkeiten leben und vermitteln Werte. Gerade die Wertevermittlung ist für christliche Pädagogen eine der wichtigsten Zukunftsaufgaben. Führung jedoch besteht aus einem Drittel Kompetenz und zwei Dritteln Persönlichkeit. Kompetenzen werden in der Schule erworben, aber die Persönlichkeit wird hauptsächlich in den ersten sieben Jahren gebildet. Das Profil für eine gute Führungskraft wird also im Elternhaus gelegt. Das bedeutet: Die wichtigste Investition in die Zukunft sind intakte Ehen und Familien. Dort, wo Kinder Geborgenheit und Werte vermittelt bekommen, entwickeln sich Persönlichkeitsprofile, die einmal führen können.

Woher nahm Jesus jedoch das Selbstbewusstsein, um gegen den Geist der Zeit zu schwimmen? Zunächst einmal redete er ohne Ansehen der Person.[13] Des Weiteren war er kein Taktiker oder Politiker, sondern er sprach und lebte gradlinig – ein wesentliches Profilmerkmal für christliche Pädagogen. Zudem bekräftigte Jesus seine zielorientierte Botschaft nicht durch den Rückgriff auf die rabbinische Tradition (heute: diverse pädagogische Konzepte), sondern er leitete sie aus seiner engen Beziehung zu Gott ab. Das gab ihm ein ausgewogenes Selbstbewusstsein, denn Jesus wusste ganz genau, wer er war. Geistliche Autorität ist die Frucht einer tiefen Gottesbeziehung. Auch wenn das bedeutet, dass man eben nicht der Meinung der Mehrheit nachkommt. Jesus selbst war immer wieder sehr verärgert, wenn er sah, wie die religiösen Führer das religiös-politische System zwischen sich und die Alltagswirklichkeit stellten. In erschreckender Klarheit durchschaute er das Verhängnis, an dem sie selbst schuld waren. Denn dabei geriet der Mensch ins Hintertreffen. Sehr bald erlebte Jesus: Wer das System kritisiert muss damit rechnen, als Verräter gebrandmarkt zu werden. – So ist es ihm ergangen.

Aber solche Erzieher, Leiter und Pädagogen brauchen wir: Sie sind damals wie heute wichtig für die nachfolgende Generation. Der Grund dafür liegt auf der Hand: Junge Menschen suchen klare Antworten. Christen müssen deshalb Gottes Wort kennen, um zielorientierte und klare Botschaften an die Suchenden weitergeben zu können. Gerade die Kenntnis der Bibel ist es, die einen christlichen Leiter autorisiert. Jesu Botschaft zeichnete sich auch dadurch aus, dass es keine pseudowissenschaftliche Theorie war, sondern immer auch eine Antwort auf die unmittelbare Not der Menschen.

Jesus kannte den Menschen. Er sah den Kern aller menschlichen Probleme im Herzen. Deshalb betonte er auch, dass eine radikale Veränderung von innen nach außen ablaufen muss. Seine besondere Stärke war, dass er jahrelang in engem Kontakt mit dem gewöhnlichen Volk gelebt hat. Er war als Handwerker bestens mit ihrem Denken vertraut. Sogar seine Zuhörer bezeichneten ihn als den Sohn des Zimmermanns bzw. als den Zimmermann. Seine Botschaft bestach durch klare, einfache und praxisbezogene Worte. Dabei sprach er immer den ganzen Menschen an: Verstand, Gefühl und Wille. Pädagogen können diesem göttlichen Musterbeispiel nur Folge leisten. Einerseits gilt es, die Umstände zu kennen, unter denen sich die heutige Jugend in die Zukunft bewegt. Andererseits muss der Inhalt unserer Botschaft zielorientiert sein und dabei ganzheitlich die Adressaten ansprechen, ohne kompliziert über die Köpfe hinweg zu gehen.

  1. Ein Herz für die Menschen

„Eine Führungspersönlichkeit mag sehr aktiv und handlungsfähig sein. Doch der stärkste Beweis moralischer Autorität findet sich erst in der Begegnung mit Härten und Prüfungen.“[14] Im größten Leid hat Jesus besondere Eindrücke hinterlassen, für Menschen gebetet, sie geführt und beauftragt. Dies zeigt, dass Jesus Christus eine Führungspersönlichkeit mit Herz war. Gerade in den drei Jahren seines irdischen Dienstes wurde deutlich: Er war innerlich bewegt, wenn er Not sah. Er weinte am Grab seines Freundes Lazarus. Er nahm Anteil an den Bedürfnissen seiner Mitmenschen.

In einer immer kälter werdenden Zeit brauchen wir Menschen, die so empfinden wie Jesus, die einen Blick für die Not der Heranwachsenden haben. Als Vorbild hat uns Jesus folgende Möglichkeiten aufgezeigt[15]:

  •         Beziehungspflege
  •         Vermittlung von Geborgenheit
  •         Vermeidung von Überforderung
  •         Gebet
  •         Sich Zeit nehmen

 

Fazit: Prägung durch Vorbild

Das Vorbild-Prinzip zieht sich wie ein roter Faden durch die ganze Bibel. Jesus identifizierte sich vollkommen mit den Menschen um sich herum, denen er dienen sollte und wollte. Von Jesu geistlichen Prinzipien der Prägung lernen heißt: Wert auf Transparenz legen, klare Ziele und eine klare Botschaft haben und mit dem Herzen dabei sein. Christen bemühen sich nicht krampfhaft, so zu werden wie ihr Vorbild Jesus, sondern die Beschäftigung mit ihm verändert sie. „Gedenkt an den, der so viel Widerspruch gegen sich von den Sündern erduldet hat, dass ihr nicht matt werdet und den Mut nicht sinken lasst.“[16] Die Beschäftigung mit dem Vorbild Jesus Christus ist eine besondere Kraftquelle, denn er ist Vorbild und Hilfe zugleich.

Hartmut Jaeger, Jg. 1958, ist verheiratet, Vater von drei Töchtern, ausgebildeter Lehrer, Geschäftsführer bei der Christlichen Verlagsgesellschaft in Dillenburg und Referent und Autor.

Henrik Mohn ist Realschullehrer an der Freien Evangelischen Schule Böblingen. Er ist verheiratet und hat zwei Töchter.

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[1] Zitat aus einem Predigtmanuskript von Hartmut Jaeger zum Thema „Jesus Christus als Lehrer“.

[2] Kerschensteiner, G. (1921): Die Seele des Erziehers und das Problem der Lehrerbildung, Wiesbaden, S. 60.

[3] Entnommen aus einem Predigtmanuskript von Hartmut Jaeger zum Thema „Prägung durch Vorbild“.

[4] Johannes 12,27 und Matthäus 26,36ff.

[5] Johannes 14,9.

[6] Johannes 7,16.

[7] Johannes 8,26.

[8] Johannes 4,34.

[9] Johannes 7,46.

[10] Markus 8,32.

[11] Markus 1,17.

[12] So Ulrich Parzany in einer Predigt.

[13] Lukas 20,21.

[14] Ford, L. (1997): Leiten wie Jesus, Holzgerlingen, S. 202.

[15] Siehe Markus 6,31; 10,16; Matthäus 9,37.38.

[16] Hebräer 12,3.

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